Ora Kinderhilfe international e.V.

Klimperklang | 12.04.2022

Wir haben uns mit Merlin Fürstenberg, dem Leiter des interkulturellen Begegnungszentrums „aufatmen“, getroffen und ihn zu dem Projekt „Klimperklang“ befragt. Gerne lassen wir Sie daran teilhaben:

Was ist das „aufatmen“?

Wir sind ein kleines Familienzentrum in Alt Lichtenberg. Uns gibt es seit 4 Jahren. Wir erreichen Familien aus dem direkten Wohnumfeld mit Kindern im Alter von 0-6 Jahren. Seit letztem Jahr haben wir auch eine Familienhebamme im Team, sodass wir Schwangere oder Frauen kurz nach der Entbindung unterstützen können. Perspektivisch möchten wir gerne in diesem oder dem nächsten Sommer beginnen, ein erstes Angebot für Grundschüler anzubieten, je nachdem wie sich die Lage im Land entwickelt.

Wir gehören zur ora Kinderhilfe international e.V. und sind in Berlin-Lichtenberg als freier Träger der Jugendhilfe anerkannt.

 

Die Stiftung hat im letzten Jahr die Modellprojekte „Papa-Gruppe“ und „Klimperklang“ durch Finanzen unterstützt. Um was für Projekte handelt es sich dabei genau?

Die Papa-Gruppe ist ein offener Treff für Väter und ihre Kinder. Viele der Väter sind gerade in Elternzeit oder nicht erwerbstätig und kommen mit ihrem Kind, das so zwischen 0 und einen Jahr alt ist. Wir spielen zusammen. Wir trinken Kaffee, essen Kuchen, tauschen uns aus über das Papasein und alles, was damit so verbunden ist. Wir haben das Angebot aufgrund der hohen Nachfrage ausbauen können und bieten die Papa-Gruppe nun jede Woche mittwochnachmittags an.

 

Klimperklang ist ein Projekt, das unsere Mitarbeiterin Josy konzipiert hat. Sie ist Sozialpädagogin und studiert nebenbei Musiktherapie. Sie hatte die Idee, ihre ersten Erkenntnisse und ihre Leidenschaft für Musik mit in die Arbeit einzubringen. Da waren wir ganz begeistert davon und haben dann nach Partnern gesucht, mit denen wir das realisieren können. Die Stiftung BWL war großzügig und bereit, uns eine Anschubfinanzierung zu geben und uns zu helfen, das Modellprojekt zu beginnen. Klimperklang ist ein Kurs für Kleinkinder mit ihren Eltern (0-3 Jahren) oder ohne ihre Eltern (3-6 Jahren). Meine Kollegin musiziert mit den Kindern. Es geht darum, die Welt spielerisch zu entdecken, mit Musik zu beschreiben, eigene Gefühle auszudrücken, miteinander in Kontakt zu kommen und Entlastung und Stressabbau möglich zu machen. Hier ist der Bedarf durch die aktuelle Coronalage, die sich ja nun schon 2 Jahre zieht, sehr hoch. Einige Familien mit Kindern kennen sich untereinander gar nicht, obwohl sie in unmittelbarer Nachbarschaft wohnen. Durch die Kontaktbeschränkungen konnten sie sich nicht kennenlernen. Das „aufatmen“ bietet vielfältige Möglichkeiten, diese Barrieren zum Beispiel durch unsere Klimperklangstunde abzubauen.

 

Was für positive Auswirkungen haben Eure Kurse auf die Teilnehmenden?

Bei Klimperklang sehe ich jedes Mal die strahlenden Gesichter der Kinder und die Erleichterung bei den Eltern, wenn sie mit ihren Kindern aus dem Kurs kommen. Beiden Seiten tut das Musizieren gut und viele Familien singen die Lieder von Josy mittlerweile auch zu Hause als festes Ritual mit ihren Kindern. Das ist auch Kulturgut, was da weitergegeben wird. Etwas, was vielleicht nicht jeder in seiner eigenen Familie erfahren hat, jetzt aber im „aufatmen“ kennenlernen kann. Da sehen wir wirklich, dass unser Angebot ankommt und sich wie von allein in die Familien weitermultipliziert. Es freut uns sehr, dass dieser kleine Kurs im Idealfall dazu führt, dass einzelne Familien musikbegeistert werden und diese Begeisterung weitertragen. Wir sehen auch deutlich, dass die Bindung zwischen Eltern und Kindern durch das gemeinsame Musizieren gestärkt wird.

 

Die Papa-Gruppe ist eine interessante Mischung, weil die Väter aus verschiedenen sozialen Milieus kommen. In der Papa-Gruppe schaffen wir Raum für Begegnung und Austausch und das wird von den Vätern mittlerweile sehr gerne genutzt, weil sie Vertrauen in uns und in die Gemeinschaft der Gruppe gefunden haben und von ihren Lebenshintergründen zu erzählen beginnen: Der eine erzählt von seiner stressigen Arbeit, der andere hat noch nie gearbeitet. Beide sitzen da mit ihrem Kind. Das ist ganz interessant, was das für eine Dynamik ergibt, wenn Menschen sich austauschen. Und das finde ich ganz wertvoll. Ich versuche, da einfach nur als Gastgeber aufzutreten. Ich koche den Leuten Kaffee, heiße sie willkommen, richte den Raum her und versuche, das Gespräch in Gang zu halten, ein paar offene Fragen zu stellen. Und die Väter tauschen sich miteinander aus und geben sich gegenseitig Tipps, wie sie ihren Alltag besser bewältigen können. Das ist wirklich toll. Ein Vater war beispielsweise in einer akuten Notlage und hat das in der Gruppe mit den anderen geteilt. Die Gruppe hat ihn ermutigt und aufgefangen, sodass er dann Hilfe angenommen und sich nach Fachdiensten umgesehen hat, die seiner Familie und ihm helfen konnten. Vorher hatte er da große Vorurteile, die er abbauen konnte, weil die anderen ihm gut zugeredet haben. Genau deswegen bieten wir die Papa-Gruppe an. Wir haben auch einfach Spaß zusammen und grillen ab und zu und die Kinder krabbeln auf der Wiese rum. Es darf ganz locker sein und wenn Hilfe oder Ratschläge benötigt werden, wissen die Papas, dass sie ihre Fragen hier stellen können. Das tut ihnen sichtlich gut und stabilisiert.

 

Die Stiftung fördert in diesem Jahr erneut das Projekt Klimperklang, weil sich das Angebot dort erweitert. Wie sieht die Weiterentwicklung dieses Projektes genau aus? 

Wir haben für den Kurs Klimperklang eine riesige Resonanz gehabt. Wir haben da offensichtlich genau den Bedarf getroffen. Es gab schnell eine lange Warteliste und auch Eltern, die gerne mit kleineren Kindern dazukommen wollten. Da haben wir überlegt, was wir machen können und bieten jetzt ein ähnliches Angebot, noch ein bisschen vereinfacht natürlich, für kleinere Kinder im Krabbelalter an. Hier geht es viel darum, gemeinsam als Eltern mit den Kindern zu musizieren, Bindung zu stärken, Kommunikation zwischen Eltern und Kind möglich zu machen und für Entspannung und Entlastung zu sorgen. Genauso wichtig ist der Kontakt zu anderen Familien und das Musizieren als ganze Gruppe, die gemeinsam Kinderlieder singen lernt. Dieses Liedgut ist eine große Ressource, die dann mit nach Hause genommen wird, um dort zu beruhigen, Stress abzubauen und in den Schlaf zu singen. Besonders durch Corona und den damit verbundenen Herausforderungen sind viele Eltern und Kinder völlig überlastet. Man merkt ihnen regelrecht an, wie dankbar sie sind, wenn sie aus unseren Klimperklang-Kursen herauskommen. Er dient auf vielen Ebenen zur Entlastung, zum Stressabbau, zum Knüpfen von Beziehungen und zur niedrigschwelligen Herstellung von Kontakten. Wenn gewünscht auch zu professionellen Hilfeleistungen.

 

Wie würdet Ihr die Zusammenarbeit mit der Stiftung Bildung.Werte.Leben beschreiben?

Wir sind total dankbar für diese Kooperation. Persönlich schätze ich auch den Austausch mit Ralf Schneider, der früher genau in demselben Bereich gearbeitet hat wie wir und dadurch auch einfach professionelle Kompetenz hat. Er hat Erfahrungen und Kontakte und bietet uns Austausch und Beratung. Das schätzen wir total. Die finanzielle Hilfe ist natürlich auch sehr wichtig für uns. Das hilft uns, auf den Bedarf in der Nachbarschaft einzugehen und die Innovationskraft unserer Teammitglieder zu fördern.