Ode an die Langeweile

Autor: Amelie Rick | 15.04.2020

Mit der Langeweile dürften in diesen Corona-Zeiten einige von uns konfrontiert sein. Seien es die Kinder, die hin und wieder mit sich allein klarkommen müssen, nachdem ihr Quarantäne-Programm des Tages erfolgreich absolviert wurde. Seien es Singles, die nun abends zu Hause nicht wissen, wohin mit sich, weil alle Bars, Clubs und sogar das Wohnzimmer der Freunde tabu sind. Seien es all diejenigen, die sonst unter der Woche oft verabredet sind und die sich nun mit der Frage beschäftigen müssen „Und was mache ich jetzt?“. Mit der Zeit verlieren die sonst so heiß geliebten Serien an Reiz, alle Filme wurden geguckt, alle Familienspiele gespielt, alle Zoom-Meetings, Skype-oder Facebooktelefonate erledigt. Gähnende Leere macht sich breit und mit ihr die leichte Ohnmacht vor dem Nichts.

Doch warum haben wir Menschen eigentlich so ein Problem mit Langeweile? Vielleicht liegt es daran, dass wir durch die moderne Technik verlernt haben, mit uns allein klarzukommen. Durch das Smartphone ist man immer und überall erreichbar und kann von fast jedem Ort aus im Netz surfen und sich mit Informationen bombardieren. Das Denken und das Imaginieren werden einem abgenommen und man kann sich sozusagen „vorverdaut“ unterhalten lassen. Für viele von uns ist das ein schöner, vermeintlich entspannender Zustand. Nach einem langen Arbeitstag nichts mehr denken oder produzieren zu müssen ist doch wirklich erholsam, oder?

Doch was ist mit den Tagen, an denen wir nichts zu tun haben und uns vielleicht sogar langweilen? An diesen Tagen werden wir damit konfrontiert, es zeitweise noch nicht mal 5 Minuten ohne Input von außen auszuhalten. Dabei ist es durchaus lohnenswert, sich diesem vermeintlichen Nichts in sich zu stellen, es auszuhalten. Denn Langeweile ist die Tür zu unserer inneren Kreativität. Sie bringt uns an den Punkt, an dem uns vor lauter Nichtstun die absurdesten Sachen einfallen. Wir beginnen, in uns hineinzuhorchen, probieren aus, verwerfen wieder und bahnen Wege in unserem Gehirn, die eben nicht „vorverdaut“ sind, sondern frisch, neu und sogar aufregend. Denn wir begegnen uns selbst als ein schöpferisches Wesen, das aus dem Nichts etwas entstehen lassen kann. Es gibt zahlreiche Studien, die sich mittlerweile mit der Langeweile als Katalysator der Kreativität beschäftigen. Eben genau deshalb, weil unsere Gesellschaft darauf ausgelegt ist, immer beschäftigt zu sein. All diese Studien kommen zum gleichen Ergebnis: Sie plädieren für die Langeweile und sehen sie sogar als notwendig an, um in einen inneren Schaffensprozess hineinzukommen, der weiterbringt und Neues entdecken lässt.

Was wäre, wenn wir diesem Nichts in Zeiten von Corona, in denen vielen von uns vielleicht öfter mal langweilig ist, mit Offenheit und Neugier begegnen, um herauszufinden, was alles an Kreativität in uns schlummert? Ein Versuch wäre es doch wert, oder?