soll ich Dich fragen

Autor: Amelie Rick | 17.06.2020

Soll ich Dich fragen? Stiftung Bildung.Werte.Leben

Kennen wir das nicht alle? Diese Situationen, in denen wir das Gefühl haben, zwar mit jemandem zu kommunizieren, aber irgendwie aneinander vorbei zu reden? Wenn man Smalltalk führt, ist das möglicherweise genauso beabsichtigt. Doch was ist, wenn es um Menschen geht, die uns wichtig sind und die wir irgendwie einfach nicht verstehen? Was ist, wenn sogar Missverständnisse und Streit dadurch entstehen?

Fragen zu stellen und sich wirklich auf die Sicht des Gegenübers einzulassen, kann ein Schlüssel sein, um wieder zum Herzen des anderen zurückzufinden. Denn häufig haben wir keinerlei Verständnis für die Argumente des Gesprächspartners, weil wir die Hintergründe und Motive nicht kennen. Wir können nicht nachempfinden, warum eine Person gerade so oder so reagiert. Schulz von Thun findet dafür genau die richtigen Worte: „Es wäre viel gewonnen, wenn der Empfänger – bevor er seinen ‚eigenen Senf‘ dazu gibt – zunächst einmal in der Lage wäre, sich präzise in die Welt des anderen einzufühlen und diese Welt gleichsam mit dessen Augen zu sehen“.

Diese Aussage steht im Zusammenhang mit der Kommunikationstheorie des aktiven Zuhörens. Hierbei wird davon ausgegangen, dass es in einem Gespräch immer einen Sender und einen Empfänger gibt. Der eine „sendet“ seine Botschaft an den anderen und dieser „empfängt“ sie. Auf dem Weg dazwischen finden jedoch vielschichtige Prozesse statt: So kann eine Aussage nett formuliert, der Ton, in dem gesprochen wird, aber so ironisch oder wütend sein, dass die eigentliche Aussage verfälscht wird. Oder der Sender spricht zwischen den Zeilen und erwartet, dass der Empfänger die eigentliche Botschaft erkennt. Es kann auch sein, dass der Empfänger eigene Erlebnisse und Emotionen mit den Aussagen des Senders verknüpft und nicht mehr neutral reagieren kann. Beispiele gibt es hier viele…

Es lohnt sich also, um die eigentlichen Anliegen des Senders zu erkennen, einfach mal zu fragen. Zum Beispiel könnte man Fragen stellen, die erkennen lassen, ob man alles richtig verstanden hat. Besonders lohnenswert sind Fragen dann, wenn wir merken, dass die Denkweise des anderen für uns so überhaupt nicht nachvollziehbar oder vielleicht sogar anstößig oder falsch ist. Empfänger neigen nämlich häufig dazu, Aussagen des Senders in Schubladen zu packen und zu bewerten oder abzuwerten, sodass sie der eigenen Weltanschauung entsprechen. Doch was ist, wenn sich der Empfänger darauf einlässt, den Sender wirklich verstehen zu wollen? Er geht damit zwar das Risiko ein, sich selbst in seiner Sicht hinterfragen zu müssen, doch er gewinnt auch sehr viel dabei: das Herz des Senders und neue Perspektiven.

Wir als Stiftung wollen in diesem aktiven Zuhören und Stellen von Fragen mehr und mehr wachsen, denn ihnen liegt ein Wert zugrunde, den wir für sehr wichtig erachten: Wertschätzung durch Empathie.